CIRCUS QUANTENSCHAUM 2015/16
UND WANN KOMMEN DIE ELEFANTEN?

DIESE PRODUKTION VON CIRCUS QUANTENSCHAUM SPIELT MIT DEN NEUEN ERKENNTNISSEN ÜBER UNSERE FLÜCHTIGEN GEFÜHLE, UNSEREN FEHLBAREN INTELLEKT, UNSEREN FRAGILEN WILLEN UND DAS TIER IN UNS.

Auf der Bühne treffen sich Spieler und Spielerinnen der bremer shakespeare company mit dem schwarzhumorigen Clown und Jongleur Matthias Romir, der Musikerin und Tänzerin Annalisa Derossi, dem Wissenschaftsjournalisten Mathias Greffrath und weiteren Darstellerinnen.
Sie untersuchen, ob Theaterspiel und Circus, ob Sänger, Dichter, Tänzer, Jongleure, Komödianten und Clowns Antworten darauf haben, wie es um den Stoff steht, der unser (Bewusst-)Sein webt.

Nach Quantenphysik und Evolutionstheorie widmet sich „Quantenschaum“ dem Organ, auf das wir uns am meisten einbilden: DAS GEHIRN.

Die Hirnforschung hat in den vergangenen Jahren viele Fragen aufgeworfen: Sind wir Menschen einzigartig? Wie entsteht unsere Bewusstseinswelt? Können wir die Welt erkennen, wie sie ist, oder nehmen wir nur Konstruktionen unseres Gehirns wahr? Auf was sollen wir hören: auf den Verstand oder die Gefühle? Wer oder was formt uns: Gene, das Unbewusste oder die Erziehung? Ist der Wille frei? Ist „Ich“ Herr im eigenen Haus oder wer hat die Hausmacht in einem Konzert von Regungsherden?

Quantenschaum ist die Plattform der bremer shakespeare company, auf der sich Wissenschaft und Kunst auf einer Bühne treffen. Die Autorin und Regisseurin des Abends, Judith Kuckart, sammelte im Vorfeld der Produktion Erfahrungen in mehrwöchigen Praktika bei einem Hirnchirurgen im Klinikum Berlin Friedrichshain und im interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften der Universität Heidelberg.



CIRCUS QUANTENSCHAUM
UND WANN KOMMEN DIE ELEFANTEN?

von Judith Kuckart, Mathias Greffrath und Ensemble

REGIE: JUDITH KUCKART
KOMPOSITION: ANNALISA DEROSSI
DRAMATURGIE: SIBILLE HÜHOLT
AUSSTATTUNG: MARTIN ROTTENKOLBER
AUSSTATTUNGSASSISTENZ: MELANIE KUHL
MIT: SVEA MEIKEN AUERBACH, ANNALISA DEROSSI, MATHIAS GREFFRATH, MICHAEL MEYER, MATTHIAS ROMIR, MARKUS SEUSS, CLAUDIA SPÖRRI, EMILIA, LUISA & JORINA SPÖRRI, KATHRIN STEINWEG

EINE QUANTENSCHAUM PRODUKTION
LEITUNG RENATE HEITMANN
SCHIRMHERR PROF. DR. GERHARD ROTH
IN KOOPERATION MIT DEM PROJEKT „WISSENSCHAFT ALS RELIGION“ DES DEUTSCH AMERIKANISCHEN INSTITUTS HEIDELBERG


Pressestimmen:

Weser-Kurier, Samstag, 14. November 2015. Von Sven Garbade.

Lachen mit Verstand
„Circus Quantenschaum“ erforscht das Rätsel des Gehirns
Was hat eigentlich die Hirnforschung mit zirzensischer Jonglage gemeinsam? Sehr viel, möchte man meinen, nachdem die neueste und wieder amüsante Premiere vom „Circus Quantenschaum“ über die Bühne am Leibnizplatz gerauscht ist. Dort wird vorgeführt, dass unser Verstand ein ähnlich fragiles, dynamisches und zugleich verwirrendes Unternehmen darstellt, wie das Fangen und Fortkullern von kleinen Bällchen. Und noch sehr viel mehr.
Die Autoren Mathias Greffrath und Judith Kuckart haben das Stück „Und wann kommen die Elefanten?“ vollgetankt mit akademischen Fragestellungen, bei denen stets ein gewisser philosophischer Kurzschluss vorprogrammiert ist. Mehr Theater als Spektakel ist das Ergebnis. Schauspielerin Kathrin Steinweg leitet das Spiel vom Fragen ein: „Wo sind meine Erinnerungen, wenn ich sie nicht habe?“ Solche Überlegungen treiben tatsächlich die Neurowissenschaften um, und Steinweg spricht eindrucksvoll von dem beinahe mystischen Erlebnis, das sich für eine Forscherin einstellen würde, wenn ein neues Prinzip unseres Verstandes aufgedeckt werden kann. Und wenn in die nachdenkliche Stille dann die zarten Piano-Melodien von Annalisa Derossi purzeln, die stets ein wenig nach Ewigkeit und verbogener Spieluhr klingen, dann öffnet sich ein Panoptikum voller anspielungsreicher Kleinkunst: Ein schwarzer Clown lässt in geistesverlorener Verzückung die Bälle rollen. Ein Griff nach links – schon rollt das Ding nach rechts. Sein Denken scheint schlichtweg zu zäh strukturiert zu sein, um der flinken Bosheit dieser Welt, die immer mit dem Wüten von Gravitation zu schaffen hat, ein Schnippchen zu schlagen. Matthias Romir zelebriert diese Tragödie grandios – wie überhaupt seine Clownerien den Abend zu einem sehenswerten Ereignis machen. Anschließend wird ein OP-Saal aufgeboten, in dem Michael Meyer die Melancholie eines Gehirn-Monteurs auf den dunklen Punkt bringt: „Jeder Hirnchirurg trägt einen Friedhof in sich. Wir fräsen uns ins Ich hinein.“ Man spürt in diesem klugen Textgemisch, dass insbesondere der Koautor Mathias Greffrath vom Fach ist. Der Publizist tritt dabei auch selbst auf und referiert im gemütvollen Flüsterton, dass der Mensch das einzige Säugetier mit weißen Augen sei. Aus diesem winzigen Detail könne man ablesen, welche immense Bedeutung der Blick in die Augen des Gegenübers trage. So subtil könne eben nur der Mensch kommunizieren.
Und schon folgt der nächste Sprung, wieder rein ins sanft gestrickte Clownstheater. Markus Seuß und Claudia Spörri führen vor, wie man der „Bindungsdroge Liebe“ möglicherweise mit Opern-Arien beigekommen könnte. Auch folgt eine ziemlich komische Szene, in der die Clownsnasen in Zeitraffer gewechselt und verwechselt werden. Den Vogel – oder eigentlich den Luftballon – schießt am Ende wieder Romir ab, der sich übrigens völlig nachvollziehbar in seiner Vita als „deprimierender Clown und zeitgenössischer Spinner“ vorstellt. Er führt die Prinzipien des Lachens an einem Opfer aus dem Publikum vor: Zunächst verschenkt er (liebevoll!) einen Luftballon und flüstert, dass die schönste Freude doch die Schadenfreude sei. Wie selbstverständlich erschießt er dann den Ballon. Demonstration geglückt, Publikum verzückt.


taz, Donnerstag, 12. November 2015.

Hirn-Zirzensik
Performance – Circus Quantenschaum ist zurück
Wo sind meine Erinnerungen, wenn ich sie nicht mehr habe? Eine Frage, sie sich jeder schon mal gestellt haben mag. Die Gehirnforschung kann sie bis heute nicht beantworten. Wie überhaupt das Verhältnis noch des klarsten Gedankens zu dessen darauffolgender Materialisierung durch die Tat zwar logisch zu erfassen sein mag, aber die Wissenschaft grübeln lässt. Kurz: Wir können zwar ins Hirn schauen, aber Gedanken hat noch niemand darin gesehen.
In Bremen sorgte Hirnforscher Gerhard Roth für Furore, indem er dem Menschen die Willensfreiheit bestritt, weil das Gehirn das Verhalten steuere, der Mensch Exekutive seiner Biologie sei. Eine These, die Roth mittlerweile relativiert hat, wobei die Frage ungeklärt bleiben muss, ob er dass aus freiem Willen tat, oder ob ihm die Biologie einen Streich spielte. Dieser Relativität mag geschuldet sein, dass sich Roth nun für die Neuauflage des Circus Quantenschaum als Schirmherr zur Verfügung stellt, sich aber inhaltlich darin nicht betätigt. Das hat vor allem die Schriftstellerin und Regisseurin Judith Kuckart besorgt, die den Abend mit dem Titel „Und wann kommen die Elefanten?“ entwickelt hat und Regie führt. Als Bremen „Stadt der Wissenschaft“ war, rief die bremer shakespeare company den Circus Quantenschaum ins Leben, um die Quadratur des Kreises, genauer: die Vereinigung von Wissenschaft und Kunst ins Werk zu setzen. Nach Quantenphysik und Entropie geht es also ans Eingemachte, oder, wie es die Ankündigung so schön formuliert, um das „Organ, auf das wir uns am meisten einbilden“.
Für das Material ihres Abends hat Kuckart den schönen Begriff der „Hirnlichkeit“ gefunden. Als Schriftstellerin interessiere sie vor allem die Frage, „was der Stoff ist, aus dem wir sind“. Wobei „Und wann kommen die Elefanten?“ nicht so vermessen ist, darauf Antworten geben zu wollen. Einen Menschen, sagt Kuckart, machen schließlich vor allem seine Fragen aus. Sie hegt indes immerhin die Hoffnung, dass durch die poetische Aufladung der Thematik ein anderer Zugang zur Wissenschaft möglich ist, von der unsereins sonst bestenfalls die Ergebnisse zur Kenntnis nimmt. Wobei sie sich durchaus intensiv mit der Materie befasst hat. Sie absolvierte ein Praktikum bei der Neurobiologin, Psychiaterin und Pianistin Hanna Monyer. Und sie lud den Publizisten Matthias Greffrath als „wissenschaftliche Fachkraft“ ein. Der nur fünf Abende mit einem Clown, einer Musikerin und Ensemblemitgliedern der company auf der Bühne steht und die großen Fragen umkreist, nicht selten mit der Gitarre in der Hand.


radio bremen, Donnerstag, 12. November 2015. Von Margit Ekholt

Circus Quantenschaum
Und wann kommen die Elefanten?
Das menschliche Gehirn gibt uns viele Rätsel auf. Was ist Einbildung, was Realität? Und haben wir wirklich einen freien Willen? Dass das nicht nur ein Thema für Neurowissenschaftler ist, beweist der „Circus Quantenschaum“ der Bremer Shakespeare Company mit Schauspiel, Tanz und viel Humor.
„Hereinspaziert, hereinspaziert!“ heißt es am Abend zur Premiere des Circus Quantenschaum. Der Titel, sagt Regisseurin Judith Kuckart, sei autobiografisch: „ Meine Eltern sind mit mir in den Zirkus gegangen, und ich habe ganz vorne an der Manege gesessen. Und nach jeder Nummer habe ich gefragt „Wann kommen die Elefanten?“. Davon habe ich mir alles versprochen: das Geheimnis, die Erklärung und das große Wunder."

Die großen Fragen
Im Zentrum der neuen Produktion des Circus Quantenschaum stehen ein Clown, eine Tänzerin, ein Jongleur, ein Wissenschaftler und ein Kind. Eine bunte Mischung, die funktioniere, sagt Kuckart: „All die Bereiche – von Angst über Freude, von der Liebe bis zum Bösen, vom Altsein bis zum ganz jung bleiben – können eigentlich zusammengebracht werden über das Stichwort „üben, üben, üben.“ Das sei im Zirkus und auch im Gehirn das Geheimnis. Zu Beginn der Proben mussten alle jonglieren, was auch ein gutes Training für das Gehirn sei.
Judith Kuckart hat zur Vorbereitung unter anderem ein Praktikum in einem neurobiologischen Institut in Heidelberg absolviert. Dort habe sie viel über den Alltag gelernt. Die Forscher stellen sich tägliche „die großen Fragen“: Wo sind unsere Erinnerungen, wenn wir sie nicht haben? Was ist unser Bewusstsein? Sind wir unser Gehirn oder sind wir Seele? „Da habe ich gemerkt, dass dieser Alltag, der sich damit beschäftigt, eigentlich ein ganz gewöhnlicher, sehr einsamer, sehr pragmatischer Laboralltag ist.“

Stummer Dialog
Die großen Fragen werden auf der Bühne auch nicht beantwortet werden können. Eine ihrer wenigen Überzeugungen sei es, dass das, was den Menschen ausmacht, die Fragen seien und „dass die Menschen anfangen zu erzählen, weil sie Fragen haben, nicht weil sie Antworten haben.“ Auf der Bühne gibt es dann einen stummen Dialog mit den Fragen, die dann bei den Zuschauern auch entstehen.


Fotos von Marianne Menke  |  www.mariannemenke.de